REVIEW

STRIDULUM „Soothing Tales Of Escapism“ (Cold Wave/Elektro Wave)

STRIDULUM

„Soothing Tales Of Escapism“
(Cold Wave/Elektro Wave)

Wertung: Gut+

VÖ: 17.12.2021

Label: Manic Depression Records

Webseite: Facebook / Bandcamp

Mit „Soothing tales of escapism“ veröffentlicht das polnische Duo um Sängerin Marita Volodina und Klangexpressionist Arkadiy Berg nach ihrer Debüt EP „Burial“ ihr erstes Full Length Album. Getragen von einer kühlen Atmosphäre durchziehen fast surreale Klangspektren den Kosmos von STRIDULUM. Clubtaugliche Arrangements wechseln mit kalten Eruptionen, wie sie im Cold Industrial zu finden sind, die latent sphärische Architektur der Stücke variiert zwischen Cold und Minimal Wave. Das Sammelsurium der Klänge fasziniert durch seine Liebe zum Detail, während die Oberfläche eine Reise zurück in die 80er vollzieht. Krönung des Ganzen ist dann natürlich der wundervolle Gesang von Marita.

Eingebettet in zwei Instrumental Tracks („Vein“, „Ashes“) erhebt sich zunächst das betörende „Bleeding“. Auf Basis einer sphärischen Breite und über einem verschnörkelten, leicht schrägen Teppich mit verzierten, elektronischen Spielereien lassen verschachtelte Harmonien und Hooklines synthpoppige Waben im Nebel entstehen. Der aus einem Dickicht herausdringende Refrain wird mit wunderschönen Vocals dargeboten.

Das folgende „Ghost“ erinnert aufgrund des Gesangs und der wohligen Melodielinie ein wenig an Invisible Limits zur „Demand for supply“-Zeit. Es geht hier um zwei verlorene Gespenster, die einander suchen. „Collapse“ besitzt im Mark etwas experimentelle Tonagen, während das Timbre in den Strophen ein wenig dunkler erklingt. Zu Beginn etwas härter dargeboten, gesellt sich im Verlauf eine galante Melodie in den Vordergrund. Aus dem Hintergrund dringen treibende Beats in die Szenerie. Marita thront dann über verspieltem Sound und sorgt mit ihrem verführerischen Gesang für harmonische Momente. Hernach wird es etwas brummender. Ein wilder tiefer Ton, verfeinert mit einer Melodie, welche den 80er Wave Pop galant kopiert. Inmitten des Wechselbads aus Harmoniebögen und klangtechnischer Kühle gelingt Marita erneut, die Aufmerksamkeit auf Text und Gesang zu legen. Ihre stimmliche Präsenz gibt nicht nur diesem Song die Würze. Sie agiert dabei eher als Kräutermischung, welche den Song nicht seiner Facetten beraubt, sondern jeweils unterstützt. Dabei gelingt es ihr, dem leicht trübsinnigen „Glass“ eine Lichterkette zu verleihen, die sich betörend dem Gehör anschmeichelt. Hervorragend gelungen ist, dass es gelingt, mit sich selbst ein Duett zu arrangieren. „Odium“ ist auf dem ersten Ohr ein radiotauglichen Popsong, Allerdings wird der durchaus vorhandene Liebreiz durch einem, der Dunkelheit frönenden Untergrund leicht negiert. Der Gesang begegnet hier seinem eigenem Echo.

Fazit: Dem polnischen Duo gelingt es, zwischen den Jahrzehnten zu wandern. Synthpop der 80er, Cold Wave der 2000er und ein wenig Dream Pop der 90er verschmelzen zu einem Cocktail, der sich leichtfüßig gibt, im (versteckten) Mark aber verstörende Industrial Klänge offenbart. Zu sagen: Jeder Song lebt von Maritas Gesang, würde dem Gesamtbild nicht gerecht. Denn die detaillierten, teils sphärischen elektronischen Flächen und im Endeffekt auch die nötige Kälte obliegt dem Mastermind an den Reglern. Marita steuerte ihren Gesang auch einem Song des Solo Albums von Peer Lebrecht bei, der nun wieder zeichnet sich verantwortlich für das Artwork. Für Fans von Linea Aspera, Hante., Minuit Machine, während ältere Semester Vergleiche mit Invisible Limits (Gesang, Musik) und andere Bands des legendären Last Chance Records Labels (Musik) ziehen. (andreas)