LIVEBERICHT

ROME + IN THE NURSERY :: Es lebe die Freiheit!


Festivalbericht

November Noir Festival am 19.11.2011 Augsburg / Musikkantine
(Photos by Stefan K.)

www.myspace.com/romecmi
www.inthenursery.com

Auch wenn Augsburg nicht gerade das Mekka der alternativen Musikszene ist, kann man dank der „Musikkantine“ bisweilen doch das eine oder andere Highlight erleben. An diesem Abend waren es ROME und IN THE NURSERY, die mich zum Besuch des Clubs anstachelten. Der Name ROME steht seit 2006 für unglaublich berührende Klangkunst. Kreativer Kopf des luxemburgischen Musikprojekts ist Jerome Reuter, der zugleich als Sänger fungiert. Ob die Begriffsformel „Chanson Noir“ das passende Vehikel ist, um die Musik knapp zu beschreiben, sei dahingestellt. Sicher ist aber, dass es fast schon allein Jeromes einzigartige Stimme ist, die nahezu jede Lobpreisung von ROME rechtfertigt. Zu IN THE NURSERY muss man wohl nicht allzu viel sagen: Als Mitbegründer des Genres Neoklassik ist ITN seit nunmehr 30 Jahren eine zuverlässige Kraftquelle für alle Liebhaber epischer und melodischer Klänge. Charakteristisch für die Band ist der mitunter recht wuchtige Einsatz von allerlei Schlagwerk, wodurch der ästhetischen Erhabenheit dieser Musik immer wieder eine ordentliche Portion Dramatik verliehen wird.

Während ich in den Räumlichkeiten des Clubs eintrudele, beendet die Gruppe MAYA NADIR gerade ihren Auftritt. Nun heißt es noch eine knappe halbe Stunde warten, bis ROME an der Reihe ist. Meine Vorfreude ist groß, denn schließlich ist ROME auch mit einer neuen und besonders eindrucksvollen Veröffentlichung am Start, die aus drei CDs und drei Büchern besteht. Diese opulente Veröffentlichung trägt den verheißungsvollen Namen „Die Ästhetik der Herrschaftsfreiheit“. Jerome Reuter zeichnet mit diesem umfangreichen Werk die Ereignis- und Ideengeschichte des Kampfes des Menschen für die Freiheit des Individuums nach. Dabei hat er aus nachvollziehbaren Gründen insbesondere die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts im Blick. Tatsächlich ist Reuter mit seinem neuen Werk eine künstlerische Würdigung des menschlichen Freiheitswillens gelungen, die man nur als genial bezeichnen kann.


Schließlich ist es soweit: Pünktlich um sieben Uhr betritt ROME die Bühne. Reuter und seine drei Mitstreiter starten mit „The Consolation Of Man“ aus dem Jahr 2007. Im Anschluss folgt mit „The Spanish Drummer“ der erste neue Song, dessen Liveversion ziemlich genau der Studioversion entspricht. Wie die meisten neuen Songs knüpft auch dieser vor allem an ROMEs künstlerische Ausrichtung der Jahre 2008 und 2009 an. Weiter geht es mit „Der Erscheinungen Flucht“ und „Das Feuerordal“, beide von der CD „Masse, Mensch, Material“. Dann wird mit „Merchant Fleet“ wieder ein neues Lied gespielt. Auch dieser zweite Streich aus dem neuen Werk steht der Studioversion in nichts nach.

Die Livequalität von ROME lässt sich (auch) an diesem Abend als schlichtweg perfekt bezeichnen. Schlagzeuger, Keyboarder, Bassist und Jerome als Sänger und Gitarrist verschmelzen zu einer vollkommenen musikalischen Einheit. So überrascht es nicht, dass die Band von den schätzungsweise knapp 300 Zuhörern immer wieder mit reichlich Beifall bedacht wird. Tatsächlich vergeht die Zeit wie im Flug, denn auch im weiteren Verlauf des Sets reiht sich Höhepunkt an Höhepunkt, wobei der Wundersong „Die Nelke“ als Ouvertüre für drei neue Lieder dient: „To Teach Obedience“, „The Death Of Longing“ und „Sons Of Aeeth“. Das letztgenannte Stück gefällt mir aufgrund seines aufrührerischen musikalischen Charakters ganz besonders gut. Und erfreulicherweise wirkt die Liveversion sogar noch kraftvoller als auf CD.

Nach etwa einer Stunde verschwindet ROME das erste Mal von der Bühne. Zum Glück wurde zuvor auch noch das besonders bewegende Kleinod „Neue Erinnerung“ gespielt. Die Zugabe dauert noch rund 15 Minuten. Dabei gibt es unter anderem „Reversion“ aus den Anfangstagen der Band zu hören. Schließlich beendet die Gruppe mit „Swords To Rust – Hearts To Dust“ ihren vollends überzeugenden Auftritt. ROME und das Publikum wirken gleichermaßen beseelt von diesem grandiosen Musikerlebnis.

Als Nächstes ist ORDO ROSARIUS EQUILIBRIO aus Schweden an der Reihe, erst dann ist es Zeit für IN THE NURSERY. Da ich mich in Sachen ORE wirklich nicht sonderlich gut auskenne, will ich auch nicht allzu viel zu dieser Band sagen. Nur Folgendes: Die hypnotisch wirkende Musik hat mir durchaus gefallen, wenngleich ich nicht so stark begeistert war, dass ich sofort nach dem Konzert losgestürmt bin, um mir alle CDs dieser Band zu kaufen. Doch bei Gelegenheit werde ich die Gruppe bestimmt mal genauer unter die Lupe nehmen.


Gegen 22.45 Uhr entert schließlich ITN die Bühne. Gestartet wird mit „Crepuscule“, dem wohl stärksten Stück der aktuellen CD „Blind Sound“. Anschließend folgt mit „Hymn Noir“ ein besonderer Leckerbissen aus dem Jahr 2000. Mit „Bombed“ und „Mystere“ geht es nicht weniger packend weiter. Dann gibt es zur Abwechslung mit „Crave“ wieder eine Nummer von der neuen Scheibe. Keine Frage: Dank ihres filmmusikartigen Charakters entfaltet die wundervolle Musik auch an diesem Abend ihre phantasieanregende Wirkung. Das Kopfkino läuft auf Hochtouren. Nicht selten wähnt man sich dabei in einem mittelalterlichen Ritterepos, bei dem es gilt, mit König Artus und seinen Rittern der Tafelrunde die Mächte des Bösen zu bezwingen.

Auf der realen Showbühne ist natürlich das Podest, auf dem Klive Humberstone mit seinen voluminösen Orchester-Trommeln thront, ein besonderer Hingucker. Als Cheftrommler von ITN kommt Klive natürlich nicht dazu, sich auf seinem Thron auszuruhen. Vielmehr drischt er immer wieder mit massivem körperlichen Einsatz auf seine Prunkstücke ein. Co-Trommler David Electrik hat da einen vergleichsweise lockeren Job ergattert, weil er ja stets an seinem eher handlichen Schlagwerk agieren darf. Aber natürlich ist auch dieser Einsatz für das Gesamtgeschehen äußerst wertvoll. Und auch Sängerin Dolores Marguerite C. liefert mit ihrem zarten Sprechgesang einen elementaren Beitrag zum rundum freudigen Ereignis. Schließlich präsentiert sich Nigel Humberstone gewohnt souverän am Keyboard, dem er oftmals bombastisch orgelnde Klänge entlockt.

Selbstverständlich geht die Zeit wieder viel zu schnell vorbei, und die Gruppe verschwindet von der Bühne. Doch dank dem kräftigen Beifall dauert es nicht lange, bis ITN für eine Zugabe zurückkehrt. Der Nachschlag endet schließlich mit dem besonders feierlich klingenden „L’Esprit“. Obgleich Band und Publikum während des ganzen Konzerts bester Laune waren, kommt es leider zu keiner zweiten Zugabe. So endet das Konzert bereits nach einer Stunde, obwohl laut Plan eine Spielzeit von 90 Minuten angekündigt war. Wie dem auch sei: Es war ein absolut lohnender Abend!
Zwei Spitzenbands an einem Abend, da kann man wahrlich nicht meckern.

Übrigens spielten an diesem Abend in einem anderen Raum des Clubs noch andere Gruppen. Allerdings habe ich von denen nahezu nichts mitbekommen, weil ich mich fast nur im sogenannten „Flammensaal“ aufgehalten habe. Warum trägt der Saal diesen Namen? Keine Ahnung. Aber sagen wir es mal so: Zumindest am heutigen Abend loderten in diesem Saal die Feuer der Freiheit und der Phantasie besonders mächtig! (stefan).